Signatur/Inschrift
bez. u. l.: Renoir
Beschriftung
verso o. l. mit Grafitstift: 46 [unterstrichen]; o. r. weisse vierteilig perforierter Marke mit blauem Aufdruck, darauf runder Schweizer Zollstempel in Schwarz: ZOLL / [?] 26; o. r. eingraviert: 11; auf dem Keilrahmen o. M. weisse Etikette: Dr. F. N. / St. G. / LC [C durchgestrichen] Nr. 344 [Fritz Nathan, St. Gallen]; Mitte Kreuzstrebe in Blau: D 1510 [unterstrichen mit Pfeil nach links]
Werkverzeichnis
Dauberville 2007 I.12.153
Provenienz
- Pierre-Auguste Renoir (*1841 Limoges, +1919 Cagnes-sur-Mer, Côte d'Azur) (Künstler/-in)
- Verbleib unbekannt
- wohl, o.D. – 8.4.1941, Raphael Gérard (*1886, +1963) (Kunsthändler/in), ParisBei der Beschriftung auf der Werkrückseite in Blau: D 1510 [unterstrichen mit Pfeil nach links] handelt es sich wohl um eine Nr. des belgischen Kunsthändler Raphaël Gérard (1886–1963), der in den Kriegsjahren eine Galerie in Paris führte. In seinem Geschäftsbuch ist unter der Nr. 1510 ein Gemälde von Renoir aufgelistet „Bord de la Mer“. Wenn es sich um dasselbe Gemälde handelt, wurde es am 18.04.1941 an einen zurzeit nicht weiter identifizierbaren „Hein“ für 250'000 FFR verkauft. Es findet sich kein Hinweis darauf, von wem Gérard das Werk erworben hat. Beim Verkauf ist angegeben, dass Gérard „150'000“ Frs. erhalten hat, was auf einen geteilten Besitz hinweist, vgl. Archives Wildenstein Plattner Institute, Paris. Geschäftsbücher der Galerie Raphaël Gérard (Mai 1937 – April 1941). Für diesen wichtigen Hinweis danke ich Nikola Doll, Abteilungsleiterin Provenienzforschung am Kunstmuseum Bern. Zu Raphaël Gérard vgl. auch: Johannes Gramlich: Hildebrand Gurlitt auf dem französischen Kunstmarkt: Handel und Bürokratie, in: Andrea Baresel-Brand, Nadine Bahrmann, Gilbert Lupfer (Hg.): Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung, (Provenire. Schriftenreihe des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, Bd. 2), Berlin/Boston 2020, S. 48–62, https://www.proveana.de/de/link/lit00000249; Pandora Langlais, Art Dealings in Times of War: The Records of Raphaël Gérard, https://wpi.art/2019/01/03/art-dealings-in-times-of-war-the-records-of-raphael-gerard/ [abgerufen 07.05.2021].
- wohl, 18.4.1941 – o.D., Hein, Kauf, 250'000.00 FRFWie oben Fussnote 3.
- [Verbleib unbekannt?]
- Roger Dequoy (*1893) (Kunsthändler/-in), ParisWerkverzeichnis Dauberville/Dauberville 2007 I.12.153; Sitzungsprotokoll des Vorstands Archiv 10.30.10.12 20.5.1943 I.a.1.; Eingehende Korrespondenz Archiv 10.30.30.144a, Theodor Fischer, 19.05.1943, Fritz Nathan, 03.05.1943, 19.05.1943.
- Galerie Wildenstein (Galerie), ParisWie oben Fussnote 6.
- wohl, Carl Montag (*1880 Winterthur, +1956 Meudon) (Vermittler/in), ParisEingehende Korrespondenz Archiv 10.30.30.144a, Theodor Fischer, 19.05.1943.
- o.D. – 1943, Theodor Fischer (*1878 Luzern, +1957) (Kunsthändler/-in), Paris/Luzern, KaufWerkverzeichnis Dauberville/Dauberville 2007, wie oben Fussnote 6.
- 1943, Fritz Nathan (*1895 München, +1972 Zürich) (Kunsthändler/in), St. GallenWerkverzeichnis Dauberville/Dauberville 2007, wie oben Fussnote 6; . Fritz Nathan erläuterte in einem Brief, dass das Gemälde „Marine“, welches in der damaligen Korrespondenz auch als „Dünenlandschaft“ oder „Guernsey“ bezeichnet wurde, sowohl Fritz Nathan als auch Theodor Fischer gemeinsam gehörte. Auf einer Liste von Fritz Nathan zuhanden der Schweizerischen Verrechnungsstelle (SVST) vom 20.08.1946 fungiert auf S. 3 als Lagernummer von Fritz Nathan „L.Nr. 344 A. Renoir, Dünenlandschaft, Gurnesey[sic]“, dahinter in roter Schrift: „½ Fr. 15‘000“, vgl. Schweizerisches Bundesarchiv (BAR), E7160-07#1968/54#1265*, Nr. 85, Galerie Theodor Fischer KG, Luzern.
- ab 1943, Zürcher Kunstgesellschaft | Kunsthaus Zürich (Museum), Zürich, KaufWerkverzeichnis Dauberville/Dauberville 2007, wie oben Fussnote 6; Inventarbuch Slg.; Sitzungsprotokoll der Sammlungskommission Archiv 10.30.10.41-42, 31.03.1943 I.A.6.f und 06.05.1943 IV.d und 21.10.1943 I.a.1; Sitzungsprotokoll des Vorstands Archiv 10.30.10.12 20.5.1943 I.a.1.; Zürcher Kunstgesellschaft Jahresbericht 1943, S. 10; Ausgehende Korrespondenz Archiv 10.30.20.97, S. 410, Fritz Nathan, 04.05.1943, S. 421, Theodor Fischer, 10.05.1943, S. 422, Vorstandsmitglieder ZKG, 10.05.1943, S. 424, Fritz Nathan, wohl 10.05.1943, S. 447, Vorstandsmitglieder, wohl 13.05.1943, S. 466, Theodor Fischer, 19.05.1943, S. 472, Fritz Nathan, 19.05.1943, S. 474, Vorstandsmitglieder ZKG; Ausgehende Korrespondenz Archiv 10.30.20.98, S. 4, Theodor Fischer, 31.05.1943, S. 69, Theodor Fischer, 15.06.1943; Eingehende Korrespondenz Archiv 10.30.30.144a, Theodor Fischer, 19.05.1943, 16.06.1943, Fritz Nathan, 25.03.1943, 03.05.1943, 07.05.1943, 19.05.1943.
Provenienzstatus
Hinweise auf NS-Raubkunst
Literatur (Provenienz)
- Guy-Patrice Dauberville/Michel Dauberville: Renoir. Catalogue raisonné des tableaux, pastels, dessins et aquarelles 1858-1881, Bd. 1, Paris: Bernheim-Jeune, 2007, S. 12, Kat.-Nr. 153.
Zur Provenienz
Das Gemälde «Marine» wurde zusammen mit einem weiteren Gemälde von Pierre-Auguste Renoir «Nature morte aux poissons et aux anguilles», auch «Fischstillleben» genannt, während des Zweiten Weltkriegs über die Zwischenhändler Fritz Nathan und Theodor Fischer auf dem Pariser Kunstmarkt erworben. Dies stellt für das Kunsthaus Zürich eine Ausnahme dar, da man in den Kriegsjahren bei Erwerbungen aus Deutschland oder aus vom NS-Regime besetzten Gebieten sehr zurückhaltend agierte.
Deswegen überrascht es nicht, dass beide Kunsthändler vom Direktor des Kunsthauses, Wilhelm Wartmann, dezidiert befragt wurden, woher die Werke stammten. Nathan verwies auf die Angaben des Luzerner Kunsthändlers Theodor Fischer, der sie in Paris beim Vertreter der Galerie Wildenstein, Roger Dequoy gekauft habe. Zur früheren Provenienz der Werke wurde in der damaligen Korrespondenz nichts vermerkt.
Auf der Rückseite des Gemäldes Marine lässt sich in der Mitte der Kreuzstrebe in Blau die Nummer «D 1510» identifizieren. Dabei handelt es sich wohl um eine Nummer aus dem Geschäftsbuch des belgischen Kunsthändlers Raphaël Gérard. Dieser führte in den Kriegsjahren eine Galerie mitten in Paris und verkaufte nachweislich auch Werke nach Deutschland. In seinem Geschäftsbuch ist unter der Nr. 1510 «Bord de mer» von Renoir aufgelistet. Wenn es sich um dasselbe Werk handelt, wurde es am 18. April 1941 an «Hein» für 250’000 Französische Francs verkauft. Es findet sich kein Hinweis darauf, von wem Gérard das Werk erworben hatte. Inwieweit Raphaël Gérard in die Verkäufe der Galerie Wildenstein involviert war, oder ob er als Mittelsmann in Paris für Theodor Fischer fungierte, muss nach heutigem Forschungsstand offenbleiben. Damit bleibt es weiterhin unklar, wie das Gemälde zur Galerie Wildenstein gelangte, von wo es später vom Kunsthändler Roger Dequoy in die Schweiz verkauft wurde.
Recherchestand 26.01.2022
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Literatur (allgemein)
- Kunsthaus Zürich. Gesamtkatalog der Gemälde und Skulpturen, hrsg. von Zürcher Kunstgesellschaft et al., Sammlungskatalog, Ostfildern: Hatje Cantz, 2007, S. 240.
- Die Natur der Kunst. Begegnungen mit der Natur vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Winterthur, 2010, S. 75 (ill.).
- Renoir. Gemälde 1860 - 1917, hrsg. von Götz Adriani, Ausst.-Kat. Kunsthalle Tübingen, Köln: DuMont, 1996, No. 55.
- Paul Pfister et al.: Von Claude Lorrain bis Giovanni Segantini. Gemäldeoberfläche und Bildwirkung (Sammlungsheft 21), gleichzeitig Ausst.-Kat. und Sammlungskatalog Kunsthaus Zürich, Zürich, 1996, No. 19 (ill.).
- Guy-Patrice Dauberville/Michel Dauberville: Renoir. Catalogue raisonné des tableaux, pastels, dessins et aquarelles 1858-1881, Bd. 1, Paris: Bernheim-Jeune, 2007.
- Renoir à / in Guern(e)sey 1883, hrsg. von Annie Dufour, Ausst.-Kat. Musée des impressionismes, Giverny: Musée des impressionismes, 2023, Kat. No. 11, S. 27.