Signatur/Inschrift
bez. o. r.: Renoir 80
Werkverzeichnis
Dauberville 506
Provenienz
- Pierre-Auguste Renoir (*1841 Limoges, +1919 Cagnes-sur-Mer, Côte d'Azur) (Künstler/-in)
- 1880 – höchstens bis 21.6.1926, Louis & Louise Cahen d'Anvers (Auftraggeber/-in), Paris, KaufLaut Dauberville/Dauberville 2007, No. 506 wurde das Porträt von Louis Cahen d'Anvers in Auftrag gegeben, aber im Jahr 1900 wurde das Gemälde als Leihgabe von Mme L. Cahen d'Anvers ausgestellt (Vgl. Kat. Galerie Bernheim-Jeune Paris 1900, No. 14).
- spätestens ab 1914 – o.D., Irène Sampieri-Camondo, geb. Cahen d'Anvers (*1872 Bougival, +1963 Paris) (Sammler/-in)Dauberville/Dauberville 2007, No. 506; Brief von René Joly an Monsieur Henraux (Président de la Commission de récuperation artistique, Paris), 18.10.1946, Archives Etrangères Paris, 209SUP/36 - Dossiers, 45.917 - Comtesse Sampiéri: Das Werk soll laut Joly nie Beatrice Reinach gehört haben, sondern immer Irene Sampieri-Camondo und nur bei Reinach deponiert gewesen sein.
- vor 21.6.1926 – 4.1.1945, Louise Béatrice Reinach (*1894 Paris, +1945 Auschwitz), Neuilly-sur-Seine, wohl LeihgabeEnkelin von Louise Cahen d'Anvers; Kat. Musée de l'Orangerie 1933, No. 57, S. 27: Léon Reichnach, Paris; Karteikarte der Leihgabe, 09.06.1933, Archives Nationales, Paris: Madame Léon Reinach als Leihgeber; Brief von Léon Reinach (Ehemann von Béatrice Reinach-Camondo), Neuilly-sur-Seine, an die Direktion des Musées Nationaux, Paris, 10.08.1941, Archives nationales, Paris, Musées nationaux, 201447921/274, in dem er mitteilt, dass das Gemälde seiner Frau von ihrer Großmutter geschenkt wurde; Brief von Léon Reinach, Neuilly-sur-Seine, an die Direktion des Musées Nationaux, Paris, 13.08.1941, Archives nationales, Paris, Musées nationaux, indem er mitteilt, dass das Gemälde im Oktober 1939 zu den Musées Nationaux transportiert wurde und am 07.07.1941 beschlagnahmt wurde.
- 10.1939 – 7.7.1941, Musées Nationaux (Museum), Paris, LeihgabeBrief von Léon Reinach, Neuilly-sur-Seine, an die Direktion des Musées Nationaux, Paris, 13.08.1941, wie oben Fussnote 4.
- 7.7.1941, Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), Chambord, BeschlagnahmeCentral Collecting Point München (CCP), Restitutionskartei, München Nummer 8035, Bundesarchiv, Koblenz, B323/662, http://www.dhm.de/datenbank/ccp (14.07.2025); Yeide 2009, No. D100; zur Beschlagnahmung siehe Briefe von Léon Reinach, wie oben Fussnote 4, in dem die Beiträge der Familie Camondo zum französischen Kulturerbe aufgeführt sind, in einem - vergeblichen - Versuch, die Rückgabe des Gemäldes zu erreichen.
- 7.7.1941 – 10.3.1942, Hermann Göring (*1893 Rosenheim, +1946 Nürnberg) (Sammler/-in), ÜbertragungWie oben Fussnote 6.
- 10.3.1942 – 31.7.1945, Gustav Rochlitz (*1889 Bydgoszcz, +1972 Füssen) (Kunsthändler/-in), TauschWie oben Fussnote 6; von Hermann Göring gegen einen Florentiner Tondo an Gustav Rochlitz getauscht (Inv. R 1529); Carr Howe 1946, S. 241; Inventory at confiscation from Gustav Rochlitz, Subject Files, compiled 1944 - 1946, documenting the period 1940 – 1946, Gustav Rochlitz, S. 13, 31.07.1945, EU, Roberts Commission - Protection of Historical Monuments, 1943-1946, https://www.fold3.com/image/270270773 (22.07.2025).
- 31.7.1945 – 4.9.1945, Thomas Carr Howe und Lamont Moore, Gipsmühle, Hohenschwangau, BeschlagnahmeInventory at confiscation from Gustav Rochlitz, wie oben Fussnote 8; Carr Howe 1946, wie oben Fussnote 8. Thomas Carr Howe und Lamont Moore waren US Army Monuments Officers und beschlagnahmten das Werk am 31.07.1945 in Rochlitz Wohnhaus.
- 4.9.1945 – 27.3.1946, Munich Central Collecting Point, München, Verwahrung, Nr. 8035Wie oben Fussnote 6.
- 27.3.1946 – o.D., Irène Sampieri-Camondo, geb. Cahen d'Anvers (*1872 Bougival, +1963 Paris), Paris, RückgabeMutter von Béatrice Reinach, Yeide 2009, No. D100 wie oben Fussnote 6; für eine detaillierte Darstellung der Ereignisse rund um die Beschlagnahmung und Rückgabe des Gemäldes und seinen späteren Verkauf an Emil Bührle siehe Die Sammlung Emil Bührle 2021, S. 111-113.
- [Verbleib unbekannt?]
- spätestens ab 8.6.1949 – 21.10.1949, Werner Feuz (*1882 Seftingen, +1956 Montreux), ClarensAStEGB, Brief von Werner Feuz, Paris, an Emil Bührle, 08.06.1949.
- 21.10.1949 – 28.11.1956, Emil Georg Bührle (*1890 Pforzheim, +1956 Zürich) (Sammler/-in), Zürich, Kauf, 240.000 CHFAStEGB, von Werner Feuz unterzeichnete Erklärung, die den Verkauf des Gemäldes an Emil Bührle für CHF 240.000 bestätigt, 21.10.1949; Quittung von Werner Feuz ausgestellt auf Emil Bührle über den Betrag von CHF 240.000, Zürich, 21.10.1949.
- 28.11.1956 – 1960, Nachlass Emil Bührle, Zürich, Nachlass
- ab 1960, Stiftung Sammlung E.G. Bührle (Sammlung), Zürich, Geschenk, Inv.-Nr. 90
- ab 2021, Zürcher Kunstgesellschaft | Kunsthaus Zürich (Museum), Zürich, Leihgabe
Literatur (Provenienz)
- Nancy H. Yeide: Beyond the Dreams of Avarice, The Hermann Goering Collection, Dallas, TX: 2009, No. D100.
- Guy-Patrice Dauberville/Michel Dauberville: Renoir. Catalogue raisonné des tableaux, pastels, dessins et aquarelles 1858-1881, Bd. 1, Paris: Bernheim-Jeune, 2007, No. 506.
- Thomas Carr Howe: Salt Mines and Castles. the discovery and restitution of looted European art, Indianapolis; New York: Bobbs-Merrill Co, 1946, S. 241.
- Die Sammlung Emil Bührle. Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), München: Hirmer, 2021, No. 173.
- A. Renoir, Ausst.-Kat. Galerie Bernheim-Jeune, Paris, Paris, 1900, No. 14.
Zur Provenienz
Hier sehen sie Irène Cahen d'Anvers (Die kleine Irene) von Pierre-Auguste Renoir, das Bildnis eines jungen Mädchens, das von vielen als Meisterwerk angesehen wird. Es entsteht 1880 im Auftrag der angesehenen jüdischen Familie Cahen d'Anvers. später wird es von den Nationalsozialisten geraubt und nach dem Krieg restituiert. 1949 erwirbt Emil Bührle es für seine Sammlung.
Der Auftrag: Das Mädchen, das wir sehen, ist Irène Cahen d'Anvers (1872-1963), Ihre Mutter, Louise Cahen d'Anvers, gibt das Porträt bei dem noch unbekannten Maler Pierre-Auguste Renoir in Auftrag. Der Auftraggeberin gefällt das Werk allerdings nicht, und sie lässt es in den Personalräumen ihres Hauses aufhängen. Schon beim Salon 19S1 in Paris wird es von Kunstkritikern jedoch sehr lobend beschrieben. Heute gilt es als eines der schönsten Porträts des Künstlers.
Der Künstler: Pierre-Auguste Renoir lebt, wie viele andere impressionistische Künstler, lange Zeit in Armut. Niemand will seine Bilder kaufen. Ein paar Freunde aus der Pariser Gesellschaft verhelfen ihm dann zu Aufträgen für Porträts – zum Beispiel von Irène Cahen d’Anvers. So wird er bekannt und ist heute einer der berühmtesten Künstler seiner Zeit.
Die Porträtierte: Die junge Irène blickt erwartungsvoll auf einen Ort ausserhalb des Bildes - auf ihre Zukunft? 1891 heiratet sie den jüdischen Bankier Moïse de Camondo und bekommt zwei Kinder. Sie verlässt ihren Mann für ihren Geliebten Carlo Sampieri und heiratet den italienischen Adligen in zweiter Ehe. Ihre Tochter aus erster Ehe, Béatrice, heiratet den Komponisten Léon Reinach. 1933 erhält diese das Bild als Geschenk von ihrer Grossmutter Louise.
Der Kunstraub: 1941 wird das Gemälde von der NS-Rauborganisation «Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg {ERR)» beschlagnahmt. Das Bild wird Hermann Göring übergeben, «Reichsminister» und Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Dieser tauscht es beim Kunsthändler Gustav Rochlitz gegen ein florentinisches Tondo ein. 1942 werden Béatrice Reinach, ihr Mann und die beiden Kinder Fanny und Bertrand verhaftet. Alle vier werden in Auschwitz ermordet.
Nach der deutschen Kapitulation im Mai.1945 wird das Bild von den Alliierten in Berlin aufgefunden und seiner Besitzerin zurückgegeben. Erbin der Familie Reinach ist Gräfin Irène Sampieri (geb. Cahen d'Anvers), Renoirs Modell, Mutter, Schwiegermutter und Grossmutter der ermordeten Béatrice, Léon, Fanny und Bertrand Reinach. 1949 verkauft Irène Sampieri das restituierte Werk über die Vermittlung des Schweizer Künstlers Werner Feuz an Emil Bührle.
Das von Vielen geliebte Gemälde ist bis zum heutigen Tag mit tiefgreifendem Leid, mit Verlust, Tod und Trauer verbunden.
Recherchestand 31.12.2021
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Literatur (allgemein)
- Die Sammlung Emil Bührle. Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), München: Hirmer, 2021, No. 173, S. 264 (ill.).
- Sammlung Emil G. Bührle. Festschrift zu Ehren von Emil G. Bührle zur Eröffnung des Kunsthaus-Neubaus und Katalog der Sammlung Emil G. Bührle, hrsg. von Kunsthaus Zürich, Sammlungskatalog Kunsthaus Zürich, Zürich, 1958, No. 169, S. 108 (ill.).