Contemplazione

um 1910

Ausgestellt
Augusto Giacometti1877 Stampa – 1947 Zürich
Es sind 23 Werke von Augusto Giacometti online.
Es sind 1824 Malereien online.
Mit dem Ankauf von Augusto Giacomettis Gemälde «Contemplazione » (Kontemplation) konnte das Kunsthaus Zürich die Gruppe symbolistischer Werke des Bergeller Malers um eine wichtige Arbeit erweitern. Der junge Künstler malte das quadratische Gemälde um 1907 in seiner damaligen Wahlheimat Florenz.[1] Dorthin war er 1902 gezogen, nachdem er erst eine Ausbildung als Zeichenlehrer in Zürich abgeschlossen und danach seine künstlerische Laufbahn bei Eugène Grasset, einem Vertreter des Art Nouveau, in Paris begonnen hatte. Das Erlernen der Gesetzmässigkeiten von Linie, Form und Farbe stand für den jungen Maler in Paris im Vordergrund. Bei seinen Besuchen im Louvre entdeckte Giacometti allerdings die Malerei der italienischen Künstler der Frührenaissance, insbesondere von Fra Angelico. Er beschloss daher, sich für längere Zeit in Florenz niederzulassen, um deren Werke in den dortigen Bauwerken studieren zu können. Einige seiner in Florenz entstandenen Arbeiten zeugen deutlich von seiner Auseinandersetzung mit der Kunst der frühen Italiener [2] – auch seine spätere Vorliebe für die Glasmalerei lässt sich aus diesem intensiven Studium heraus erklären. Parallel entstanden aber auch Werke, deren Inhalt symbolistischer Natur ist, so «Die Nacht» (1903), «Der Traum» (1905) oder eben «Kontemplation». Bereits 1905 hatte er im Wandbild «Der Traum» eine ähnlich liegende Frauenfigur mit zurückgeworfenem Kopf verwendet, deren Körperhaltung er in der oberen Figur von «Contemplazione» beinahe bis in alle Details zitiert.[3] Im späteren Gemälde wiederholte er die liegende Frauengestalt unten im Bild und spiegelverkehrt in der mittleren Bildebene, variierte allerdings deren expressive Gebärdensprache. Vor schneebedeckten Felsen liegen die drei weiblichen Gestalten ekstatisch verzückt in einer kargen Landschaft, die durch drei kahle emporwachsende Zweige und ein Bergbächlein angedeutet wird. Die verwendeten Gelb- und Orangetöne tauchen die Szenerie jedoch in ein warmes Licht. Der Eindruck einer Gebirgslandschaft wird zudem durch die angewinkelten Knie der Figuren und den starken Faltenwurf ihrer langen Gewänder verstärkt, evozieren diese doch auf den ersten Blick eine bergige Landschaft. Das Thema der Kontemplation beschäftigte Giacometti auch in drei weiteren Werken, für die er unterschiedliche Bildlösungen fand.[4] Das durch die Figuren ausgedrückte ekstatische Naturempfinden und pantheistische Lebensgefühl wurde auch von anderen Künstlern jener Zeit thematisiert, allen voran von Ferdinand Hodler. Mit Sicherheit kannte Giacometti Werke wie «Der Tag I» (1899/1900), «Der Frühling I» (1901) oder «Die Empfindung I» (1901/1902) des damals bereits international arrivierten Schweizers. Dieser reiste interessanterweise im Februar 1905 nach Italien, wo er u. a. auch in Florenz Station machte. Als Anlass dieser Reise wird Hodlers Bedürfnis angenommen, die von zeitgenössischen Kunstkritikern gemachte Verbindung zwischen ihm und der Trecento- und Quattrocentomalerei vor den Originalen zu überprüfen. Als wichtige Übereinstimmungen fielen den Kritikern die Flächigkeit sowie die Wiederholung von Figuren und Elementen auf.[5] Ob sich Hodler und Giacometti in Florenz begegnet sind, ist nicht überliefert. Jedenfalls dürfte Giacometti diesen in der zeitgenössischen Kritik unternommenen Vergleich zwischen Hodler und den Meistern der Frührenaissance mit Interesse verfolgt haben. Giacomettis Werke wie «Contemplazione», «Das Kreisen der Planeten» (1907) oder «Dado di Paradiso» (1910), die alle auf der Wiederholung von Figuren aufgebaut und durch Flächigkeit gekennzeichnet sind, dürften sowohl durch sein unmittelbares Studium der frühen Meister in Florenz als auch durch Hodlers Bildlösungen bestätigt worden sein. Bemerkenswert an «Contemplazione» sind ausserdem die Farbpalette und die Technik des Farbauftrags. Die gelbe Farbe, die hier dominiert, griff Giacometti zwischen 1905 und 1909 für mehrere Werke auf.[6] Das Gewand der mittleren Figur dürfte ursprünglich etwas farbkräftiger in Rottönen geleuchtet haben.[7] In der Technik markiert das Gemälde anhand der mit dem Spachtelmesser aufgetragenen Farben zudem den Übergang zu Giacomettis «neoimpressionistischer / tachistischer» Phase. Giacometti stellte «Contemplazione» zum ersten Mal 1911 an der Frühjahrsausstellung der Società delle Belle Arti in Florenz aus,[8] verfrachtete es im Herbst desselben Jahres nach Zürich,[9] um es wiederholt in der Schweiz und später in Deutschland ausstellen zu können. Höchstwahrscheinlich 1930 erwarb eine Dame in Zürich das Gemälde, in deren Familienbesitz es bis 2015 verblieb.
Weitere Titel
Kontemplation Contemplation
Medium
Öl und Bleistift auf Leinwand
Dimensionen
Bildmass: 114 x 114 cm
Inventarnummer
2015/0020
Creditline
Kunsthaus Zürich, 2015