Signatur/Inschrift
bez. u. l.: COROT
Werkverzeichnis
Robaut 393
Provenienz
- Jean-Baptiste-Camille Corot (*1796 Paris, +1875 Paris) (Künstler/-in)
- Verbleib unbekannt
- spätestens ab 1878 – 1882, Théophile Bascle (*1824, +1882), Bordeaux/ParisKat. Galerie Durand-Ruel, Paris 1878, No. 115; Auktion Hôtel Drouot (12.04.-14.04.1883), No. 17; Auffret 2004, S. 143, No. 107 (Abschrift der Todesanzeige von Théophile Bascle).
- 1882 – höchstens bis 14.4.1883, Nachlass Théophile Bascle, NachlassWie oben Fussnote 3.
- 12.4.1883 – 14.4.1883, Hôtel Drouot (Auktion), Paris, Lot 17Auktion Hôtel Drouot, wie oben Fussnote 3.
- spätestens ab 14.4.1883 – o.D., Lucas, BordeauxAuffret, wie oben Fussnote 3: Schwiegersohn des oben Genannten, erworben bei obiger Auktion; Archiv Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur, Briefe von Paul Rosenberg, Bordeaux, an Oskar Reinhart, Winterthur, vom 12.12.1939 und 16.12.1939, in denen Rosenberg, nachdem er sich in der Nähe von Bordeaux niedergelassen hatte, den kürzlichen Erwerb des Gemäldes detailliert beschreibt.
- o.D. – 1939, Cécile oder Marguerite Lucas, Bordeaux, NachlassAuffret, wie oben Fussnote 3: listet zwei Töchter von Lucas auf; Briefe, wie oben Fussnote 6.
- 12.1939 – 14.9.1941, Paul Rosenberg (*1881 Paris, +1959 Neuilly-sur-Seine, Paris) (Kunsthändler/-in), Bordeaux, KaufBriefe, wie oben Fussnote 6: Erworben von einer der beiden oben Genannten ca. Dezember 1939.
- 14.9.1941 – o.D., Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), Beschlagnahme, No. PR 131Beschlagnahmt vom «Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg» (ERR No. PR 131), an Hermann Göring übergeben und von Göring an Hans Wendland gehandelt; Yeide 2009, No. A1155 und Francini/Heuss/Kreis 2001, S. 106 (No. 267), S. 286 (No. *5), S. 347 (No. 87).
- Andreas Walter Hofer (*1904 Lützelflüh, +1994 Rüschlikon) (Kunsthändler/-in)Wie oben Fussnote 9.
- Hermann Göring (*1893 Rosenheim, +1946 Nürnberg) (Sammler/-in)Wie oben Fussnote 9.
- Hans Wendland (*1880 Neuruppin, +1972 Paris) (Kunsthändler/-in)Wie oben Fussnote 9; Hans Wendland hatte 1/3 an den Bildern Fischers (siehe Francini/Heuss/Kreis 2001, S. 286).
- 10.4.1942 – 20.8.1942, Galerie Fischer (Galerie), Luzern, TauschIm Tausch gegen Kunstwerke an die Galerie Fischer verkauft; wie oben Fussnote 9.
- 20.8.1942 – 3.6.1948, Emil Georg Bührle (*1890 Pforzheim, +1956 Zürich) (Sammler/-in), Zürich, Kauf, 70000 CHFAStEGB, Brief von Emil Bührle an seinen Anwalt Dr. Walther Huber, Zürich, 22.08.1947. Die Summe entspricht dem Betrag, den Bührle später in seinem Prozess gegen Fischer einforderte, und während Fischer eine Rückerstattungspflicht grundsätzlich ablehnte, wurden die Summen als solche nie in Frage gestellt. Diese Summen definierten also die Beträge, die Fischer an Bührle zurückzahlen musste, nachdem das Bundesgericht zum Schluss gekommen war, dass Bührle die Bilder gutgläubig erworben hatte, AStEGB, Schweizerisches Bundesgericht, Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen / Chambre des actions en revendication de biens spoliés, Lausanne, Urteil vom 05.07.1951 (Typoskript).
- 3.6.1948 – 30.6.1948, Paul Rosenberg (*1881 Paris, +1959 Neuilly-sur-Seine, Paris) (Kunsthändler/-in), New York, NY, RestitutionAStEGB, Schweizerisches Bundesgericht, Kammer zur Beurteilung von Raubgutklagen/Chambre des actions en revendication de biens spoliés, Lausanne, Gesuch um Rückgabe von Kunstwerken von Paul Rosenberg gegen verschiedene Beklagte (u.a. Bührle), Urteil vom 03.06.1948 (Typoskript), das die Rückgabe der beanspruchten Werke anordnet, darunter Corot, Liseuse.
- 30.6.1948 – 28.11.1956, Emil Georg Bührle (*1890 Pforzheim, +1956 Zürich) (Sammler/-in), Zürich, Kauf, 80.000 CHFAStEGB, Vereinbarung zwischen Paul Rosenberg, New York, und Emil Bührle, ausgestellt und unterzeichnet von Mre Maurice E. Meyer im Namen von Paul Rosenberg, datiert Lausanne, 30.06.1948, wonach Bührle das Eigentum an Corots Liseuse gegen Zahlung von CHF 80.000 behält; Brief von Emil Bührle an Paul Rosenberg, New York, 06.07.1948, in dem er seine Freude über den Rückkauf von Corot, Liseuse, zum Ausdruck bringt und bestätigt, dass der Scheck über $ 20.000 zur Deckung des Kaufs verschickt worden ist.
- 28.11.1956 – 1960, Nachlass Emil Bührle, Zürich, Nachlass
- ab 1960, Stiftung Sammlung E.G. Bührle (Sammlung), Zürich, Geschenk, Inv.-Nr. 22
- ab 2021, Zürcher Kunstgesellschaft | Kunsthaus Zürich (Museum), Zürich, Leihgabe
Literatur (Provenienz)
- Nancy H. Yeide: Beyond the Dreams of Avarice, The Hermann Goering Collection, Dallas, TX: 2009, No. A1155.
- Exposition rétrospective de tableaux et dessins de maîtres modernes, Ausst.-Kat. Galeries Durand-Ruel, Paris, Paris, 1878, No. 115.
- Esther Tisa Francini/Anja Heuss/Georg Kreis: Fluchtgut-Raubkunst. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933-1945 und die Frage der Restitution (Veröffentlichungen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg 1), Zürich: Chronos, 2001, S. 106 (No. 267), S. 286 (No. *5), S. 347 (No. 87).
- Catalogue des tableaux anciens et modernes [...] succession de M. Th. Bascle, Hôtel Drouot, Paris, 12. April 1883 - 14. April 1883, Paris 1883, No. 17.
- François Auffret: Johan Barthold Jongkind 1819-1891, Héritier, contemporain & précurseur, Paris, 2004, No. 107.
Zur Provenienz
Paul Rosenberg (1881–1959) war einer der bedeutendsten Galeristen des 20. Jahrhunderts. Er förderte junge Künstlerinnen und Künstler wie Pablo Picasso, Marie Laurencin, Georges Braque oder Henri Matisse.
1908 gründete er eine Galerie in Paris. Rosenbergs Einfluss reichte über den Atlantik hinaus. So war er etwa mit Alfred H. Barr, dem Direktor des Museum of Modern Art in New York, eng verbunden. Rosenberg war Jude und flüchtete 1940 aufgrund der NS-Verfolgung und der damit verbundenen Lebensbedrohung von Paris nach New York, wo er seine Galerie neu aufbauen konnte. Er vermittelte bis zu seinem Tod Werke auch an europäische Sammlerinnen und Sammler, darunter an Emil Bührle.
Das Gemälde Vor dem Start von Edgar Degas hatte Rosenberg 1924 geerbt, Das lesende Mädchen von Camille Corot 1939 erworben. 1941 beschlagnahmte die NS-Rauborganisation «Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR)» — geleitet von NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg — den in Europa verbliebenen Teil der Galeriebestände Rosenbergs. Die Werke gingen im Tausch an den Luzerner Galeristen Theodor Fischer, von dem Bührle sie 1942 erwarb. Rosenberg reichte nach 1945 vor der Raubgutkammer beim Schweizer Bundesgericht Klage ein und bekam Recht.
1948 restituierte Bührle die Gemälde. Wenige Wochen danach einigte er sich mit Rosenberg auf einen Neukauf von Corots Gemälde, im Folgejahr konnte er auch das Bild von Degas zurückerwerben. 1951 forderte er von Fischer in einer Regressklage den Betrag zurück, den er beim ersten Erwerb der Werke bezahlt hatte. Das Bundesgericht gab der Forderung statt. Es entschied, dass Bührle beim Kauf gutgläubig gehandelt hatte und er zu dem Zeitpunkt von der unrechtmässigen Herkunft der Werke keine Kenntnis gehabt haben konnte.
Das Urteil ist bis heute umstritten, da Bührle 1942 von der systematischen Beraubung der jüdischen Sammlerinnen und Sammler sehr wohl wissen konnte.
Recherchestand 31.12.2021
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Literatur (allgemein)
- Die Sammlung Emil Bührle. Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), München: Hirmer, 2021, No. 159, S. 260/264 (ill.).
- Sammlung Emil G. Bührle. Festschrift zu Ehren von Emil G. Bührle zur Eröffnung des Kunsthaus-Neubaus und Katalog der Sammlung Emil G. Bührle, hrsg. von Kunsthaus Zürich, Sammlungskatalog Kunsthaus Zürich, Zürich, 1958, No. 119, S. 90 (ill.).
- Goya to Impressionism. Masterpieces from the Oskar Reinhart Collection, hrsg. von Ketty Gottardo/Kerstin Richter/Katja Baumhoff, Ausst.-Kat. Courtauld Institute Galleries, London (14.02.2025-26.05.2025), London: Paul Holberton, 2025, S. 56, ill. No. 28.